Wie stark sich unser Hormonhaushalt auf das Gemüt auswirkt, habe ich erst beim Abstillen vom zweiten Kind leibhaftig erfahren, „aus-Ende-Gelände“ war es da mit den berauschenden Substanzen. In der Schwangerschaft fing es an. Der hohe Oxytocin-Spiegel lässt einen ja bekanntlich Funkeln und Strahlen – bis zum achten Monat war ich quasi ein Glamour-Girl. Der rote Teppich verfolgte mich, bis ich dann unter meinem eigenen Gewicht beinahe zusammenbrach – da hat es sich dann mal kurz ausgeglamourt. Alles schien mühsam und das Leben als gestrandeter Wal hatte plötzlich viel weniger Glanz.
Gott sei Dank bekam ich postnatal einen neuen Hormonstatus verpasst! Denn das zusätzliche Prolaktin sorgte für schnelle Regeneration nach der Geburt – ehrlich, ich fühlte mich trotz Blutverlust topfit und pudelwohl. Noch mal eine Hand voll Oxytocin drauf, et voilà, ich habe mich neu verliebt! In das Baby und den Kindsvater – kann man noch glücklicher sein? Ein wahrer Rausch ist das. Mütter, die davon zu wenig abbekommen, spüren den Babyblues oder leiden unter postnataler Depression, ganz schrecklich ist das und gemein.

Hormone machen aus uns Dr. Jekyll & Mrs. Hyde

Das Schlüsselhormon Oxytocin lässt stillende Mütter entspannen – oh ja, tiefenentspannt, stimmt absolut – solange das Baby nicht weint, brav trinkt und regelmäßig schläft. Stress sollte uns weniger anhaben, wir werden furchtlos – ach so? Moment, ich hatte da vorübergehend eine Identitätsstörung. Ich schwankte zwischen sehr gechillt, war aber auch furchtbar gestresst, ob ich alles richtig mache und in ständiger Sorge um unserer Baby. Das Mehr an Oxytocin macht Mütter aggressiver, wenn unserem Nachwuchs Gefahr droht, löwenmuttermäßig eben – kann ich glatt unterschreiben! Keine Sorge, keiner ist zu Schaden gekommen, aber ich war schon ordentlich schnippisch.

Talfahrt der Glücksbotenstoffe

Weil ich wusste, wie mühsam das Abstillen sein kann, habe ich beim zweiten Kind den Rat meiner Hebamme völlig ignoriert, es langsam angehen zu lassen. Der Moment war gut, das Kind zufrieden mit kurzem Genuckel und zack – Brust weg, einen Abend eine läppische Stunde getröstet, wenig Protest, ab sofort gar nicht mehr gefragt. Herrlich, also landete auch mal wieder eine Flasche Wein im Einkaufswagerl. Aber unter uns, Hormonräusche sind besser als Besäufnisse. Das Ganze ging zu schnell und zu einfach, hinterher war ich einfach stääääändig müde und gehirnleistungsmäßig absolut gaga, mir fehlte was. Als wäre das nicht genug, lösten sich auch noch meine Fingernägel auf und die Haare fielen ungefragt büschelweise aus – Glanz und Gloria waren fortan endgültig Geschichte.  Ich suchte nach einem Schwangerschafts-Still-Hormon-Metadhon, denn jeden Abend schlief ich um 19:00 Uhr mit den Kindern ein. Tja, da blieb nur mehr Sport, meine alte On-Off-Beziehung. Nach drei Wochen Quälerei hatte ich endlich wieder einen neuen, fröhlichen Hormonstatus – weniger Müdigkeit und das Hirn schien wieder einigermaßen zu funktionieren. Erwiesenermaßen sorgen nämlich Endorphine, Dopamin und Serotonin die beim Sport freigesetzt werden, für eine nachhaltige Steigerung von Konzentration, Glücksempfinden und Zufriedenheit – großartig!