Mein Leben hat sich um 90°C gedreht, seit meine Tochter zur Welt kam. Warum keine 180°C? Naja, ich gehörte schon immer eher zu der Sorte Sonntagsbrunch und Kinoabend statt Weltenbummeln und Saturday Night Fever. Seit ich Mama bin, sind selbst diese Aktivitäten mit einem hohen organisatorischen Aufwand verbunden. „In den nächsten 14 Tagen geht’s bei mir leider nicht, da ist mein Mann nicht da“, „Leider können wir nicht kommen, die Kleine hat Fieber“, „Das klingt nach Spaß, aber mit Baby werd ich wohl eher nur zusehen können“…ich höre das Gesicht meiner kinderlosen Freunde am Ende der anderen Leitung einschlafen und muss mir eingestehen, dass ich nun auch zu dieser Sorte Mama gehöre. Welche Sorte ich meine? Na die Sorte Mama die eh nie kann. Die Sorte Mama die, wenn sie dann doch mal kann, immer mit Anhang auftaucht. Die Sorte Mama die ihren kinderlosen Freunden manchmal nur ein müdes Lächeln abringen kann.
Mein Mann und ich freuen uns immer den ganzen Tag darauf abends mit einem guten Essen und Netflix in der Couch zu versinken. Ich erzählte einer meiner kinderlosen Freundinnen unlängst in einem Nebensatz von unseren Abenden. Daraufhin meinte sie verwirrt „Aha jeden Abend?“ und ich so „hm…ja, ausser einer von uns beiden ist einmal unterwegs“…was unter uns gesagt, höchstens einmal pro Woche vorkommt. Ich glaube, ich konnte einen Funken Mitleid in ihrem Blick erhaschen. Sie selbst liebt es zu reisen, geht auf Tanzabende wo alle Kopfhörer tragen und sich instinktiv zu ihrer individuellen Musik bewegen und verbringt viel Zeit in alternativen Cafés mit ungemütlichen Holzstühlen. Manchmal beneide ich sie um ihren bunten und scheinbar aufregenden Alltag, aber dann spüre ich wieder das dringende Verlangen mich zu meinen Sofakissen zu gesellen.
Wie gesagt, ich war immer schon eher von der gemütlichen Sorte. Jetzt wo ich Mama bin stellt sich die Frage nach der Wahl zwischen Action und Ruhe meist gar nicht mehr. Ist unsere Tochter erst einmal im Bett und der Haushalt halbwegs auf gleich, ist fernsehen das Einzige wozu ich mich noch annähernd in der Lage fühle.
Wer keine Kinder hat, vielleicht sogar nicht einmal in einer Beziehung lebt, kann sich diese Realität kaum vorstellen.
Ich habe schon oft gehört, dass langjährige Freundschaften daran zerbrechen wenn nur eine von beiden eine Familie gründet. Die Interessen sind dann bei vielen einfach zu unterschiedlich. Das Verständnis für das Leben des anderen bleibt leider oftmals auf der Strecke. Das ist wirklich traurig, aber doch auch sehr nachvollziehbar.
Ich habe das große Glück, dass sich die meisten meiner Freundinnen in derselben Lebenslage befinden wie ich und dass diejenigen, auf die dies nicht zutrifft, zumindest offensichtlich Verständnis für meinen Alltag als Mama einer Einjährigen zeigen.
Eine meiner Freundinnen sticht dabei besonders heraus. Sie selbst hat noch keine Kinder, viele ihrer nahen Freunde schon. Während alle am Windeln wechseln und Augenringe kaschieren sind, startet sie als einzige Frau in einer Männerdomäne in ihrem Job voll durch. Sie macht 24-Stunden-Wanderungen, genießt ihren Café in Rom und machte bis vor Kurzem noch neben ihrem 50 Stunden Job eine Abendschule. Dies hindert sie jedoch keineswegs daran regelmäßig anzurufen und zu fragen wie es uns ergeht. Sie schafft es als Einzige steht’s echtes Interesse anstelle des oftmals eher oberflächlichen „Na und wie geht’s euch so?“ zu zeigen. Im Gegensatz zu Anderen versucht sie meine Situation wirklich zu verstehen. Da sie selbst noch keinen Kinderwunsch hat, hat sie immer wieder tausend Fragen wie es sich anfühlt Mama zu sein. Sie interessiert sich für unsere Beweggründe und die Veränderungen in unserer Paarbeziehung. Sie fragt nach meinem Befinden und den vielen kleinen und großen Highlights in unserem Leben. Und sie findet immer Aktivitäten die ihr selbst aber auch uns großen Spaß machen. Dabei ist es nicht nur kein Problem, dass meine Tochter dabei ist, sie bemüht sich sogar sehr liebevoll um sie.
Sie ist ganz klar der Meinung, dass es bei ihr liegt, sich den Veränderungen ihres Freundeskreises anzupassen um die Freundschaften zu erhalten. Wow! Oder?

Ich bewundere sie dafür und bin ihr so dankbar. Ich kann mir vorstellen, dass es manchmal sehr schwer sein muss, wenn alle um einen herum auf der Babywelle reiten, während man selbst noch nicht einmal weiß, ob man jemals ein Kind haben wird wollen. Hut ab meine Liebe, ich verneige mich vor deinem Feingefühl, deiner Toleranz und deinem scheinbar grenzenlosen Verständnis!
Jede Mama bräuchte eine Freundin wie dich!