Er konnte einfach nicht sitzen. Mein Sohn mied das Puzzeln, Malen und eigentlich alle Tätigkeiten, die Ruhe brauchten und im Sitzen stattfinden sollten. Er war ein klassischer Zappelphilipp. Beim Essen ein einziges Gezappel, er stand auf, aß, legte die Füße auf den Tisch, kletterte. Wenn er saß, dann in unmöglichen Positionen. Auch untertags war er immer auf den Beinen und wechselte schnell die Tätigkeiten, seine Aufmerksamkeit zu halten, schien fast unmöglich und er war leicht reizbar. Zuhause beim Essen ermahnten wir ihn, baten ihn, ruhig zu sitzen – nichts half. Schließlich meinte auch die Kindergartenpädagogin, er hätte ein Aufmerksamkeitsproblem und wir sollten ihn testen lassen. Schluck. Ihr kennt sicher das Angstwort ADHS. Ich halte nicht viel auf diese Diagnose, da sie oftmals zu leichtfertig gestellt wird und ein Sammelbegriff für mehrere „Auffälligkeiten“ ist. Aber ich hatte große Angst, dass mir jemand sagen würde, mein Sohn würde diesbezüglich Therapie und Medikamente benötigen.

Was ist ADHS?

Der Begriff Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung fasst folgende Problematiken zusammen:

  • Unaufmerksamkeit: Aufmerksamkeitsdefizit, Aufmerksamkeitsstörung, Konzentrationsschwäche
  • Hyperaktivität: übermäßige Aktivität, Herumzappeln, motorische Unruhe
  • Impulsivität: Ungeduld, unbedachtes und leichtfertiges Verhalten, gestörte Impulskontrolle

Wir fanden eine erfahrene Ergotherapeutin, die zu keinem Zeitpunkt von ADHS sprach, sondern meinen Sohn spielerisch testete. Sie hatte nach zwei Sitzungen das Problem erkannt – Atrophie der Muskulatur. Er litt an einer Rumpfmuskulatur-Schwäche. Die schwache Muskulatur machte ihm das Sitzen sehr anstrengend, er fühlte sich dabei unwohl und somit konnte er auch nicht lange aufmerksam sein. Er hatte beim Wachstum einen langen Stillstand und danach eine sehr rasante Wachstumsphase (in einem Jahr holte er beinahe drei Jahre auf). Also brauchte es viel Übung und Geduld, bis sich seine Muskulatur anpasste und die stützende Funktion übernahm. Es gelang der Therapeutin auch schnell, die Aufmerksamkeit meines Sohnes zu bekommen. Letztendlich schien er nur sehr deutlich zu filtern und blockte bei Dingen ab, die ihn schlichtweg nicht interessierten. Es dauerte nicht lange, ehe er mit gezielten Tricks konnte seine Haltung verbessern konnte – wir achteten beispielsweise auf verschiedene Bewegungsabläufe zum Stärken der Muskulatur. Heute sitzt er ruhig und aufrecht, auch das Puzzeln und Malen macht ihm mittlerweile viel Spaß.

Liebe Mütter, holt euch im Fall des Verdachts also immer eine Zweitmeinung ein!