Vor ein paar Wochen haben wir, gemeinsam mit meinen Eltern und der Familie meiner Schwester ein Wochenende am Bauernhof verbracht. Es war herrlich!

Die Kinder spielten im Garten, wir besuchten die Tiere und saßen zu den Mahlzeiten alle um einen großen Tisch herum in der Bauernstube. Meine Nichte ging mit mir schaukeln, meine Tochter war mit Oma und Papa bei den Tieren und zwischenzeitlich hatte ich Zeit nur für mich…keine Ahnung wo unser Kind da war….
Alles lief sehr entspannt ab. An diesem Wochenende durften wir erleben wie es sich anfühlt sein Dorf rund um die Uhr um sich zu haben.
„Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf“, dieses afrikanische Sprichwort begleitet mich schon seit Jahren. Bei meiner Arbeit mit Eltern und Kindern habe ich es oftmals zitiert. Doch erst jetzt, wo ich selbst Mama bin, begreife ich so richtig, was es bedeutet.
Die Familie meines Freundes lebt nicht in unserer Nähe. Aus diesem Grund war es mir immer wichtig, dass wir es nicht weit zu meinen Eltern und meiner Schwester haben. Doch mittlerweile sind auch sie ein Stück weiter weg gezogen und gemeinsame Zeit muss meist rechtzeitig geplant werden.

Was wäre wenn…

Ich finde es sehr schön, dass jeder von uns sein Nest gefunden hat und freue mich natürlich mit ihnen, doch ab und zu hänge ich dem Gedanken nach, wie es wohl wäre wenn wir alle nebeneinander leben würden. Vermutlich würden wir uns gegenseitig die Köpfe einschlagen. Doch an den anderen Tagen wäre vieles bestimmt einfacher, entspannter und schöner.
Manchmal fehlt mir mein Dorf. Dieses Gefühl hat eigentlich nichts damit zu tun, wie oft wir einander sehen. Es taucht auch auf, wenn wir gerade von einem Familientreffen kommen oder uns in Kürze wieder sehen. Es ist vielmehr der Gedanke unseren Alltag zu teilen, der mich manchmal nicht loslässt.
Das Leben auf dem klassischen Vierkanthof, in dem Urgroßeltern, Eltern und die Jungfamilie mit ihren Kindern leben, ist vermutlich nicht immer einfach, aber es birgt einen großen Vorteil. Der Alltag wird leichter, sobald man sich all den kleinen und großen Herausforderungen und Aufgaben gemeinsam stellt. Jedes Familienmitglied kann etwas anderes gut oder macht dies oder jenes lieber. Die Vision, größtenteils nur das zu machen was man gerne macht, scheint beim Gedanken an einen Generationenhaushalt einfach realistischer zu sein. Der Haushalt, der Einkauf und die Versorgung der Kinder sind für eine Person alleine kaum zu bewerkstelligen. Und auch wenn man all die To Do’s als Paar abarbeitet, bleiben am Ende der Woche noch einige davon übrig. Und abgesehen davon, was passiert wenn einmal jemand krank ist, vielleicht sogar länger als eine Woche? Wir hatten einen besonders harten Winter. Ständig war einer von uns kraftlos, fiebrig oder auf irgendeine andere Art unpässlich. Wenn ich mich so bei Freunden umhöre, erging es vielen Familien zum Jahres beginn nicht besser als uns, trotzdem scheint jede Familie unterschiedlich damit umzugehen. Die Unterstützung der Großfamilie spielt dabei bestimmt keine unwesentliche Rolle.

Praktische Gründe

Mein Wunsch nach einem Dorf gründet also nicht nur auf dem Gedanken eine Familienidylle zu genießen bei der alle um einen Tisch sitzen und aus einem großen Kochtopf löffeln, nein, er hat auch praktische Gründe.
Doch wo ist es hin, unser Dorf? Wo ist sie, die tägliche Arbeitsaufteilung, Unterstützung und gemeinsame Obsorge der Kinder?

Erst gestern habe ich mir meine Tochter auf den Rücken geschnallt und, ein Doppelkinderwagerl vor mir herschiebend, meine beiden Patenkinder vom Kindergarten abgeholt. Sie sind noch keine drei Jahre alt, aber schon sehr selbstständig und zuckersüß. Ich kann mich gut auf sie verlassen. Aus diesem Grund waren wir auch noch gemeinsam Eis essen.
Ein Kind macht gerade in die Hose, während das andere gestillt werden will und das dritte gerne unbedingt schaukeln möchte. Hätten wir den ganzen Tag in dieser Konstellation verbracht, hätte ich vermutlich ein Burnout erlitten. Es war anstrengend… klar ist es das, wenn man alleine mit drei Kindern unter drei Jahren unterwegs ist. Aber es war vor allem eines, wunderschön.
Besonders schön war es für mich, als wir nach und nach unser Dorf getroffen haben. Erst kam eine der Mamas (mit dem vierten Kind) hinzu, dann die zwei der drei Papas und irgendwann saßen wir dann gemeinsam um den besagten Kochtopf herum. Dabei war es nicht wichtig welches Kind zu wem gehört. Laufende Nasen wurden geputzt, Windeln gewechselt, Kartoffeln geschnitten und ganz viel getragen und geherzt. Ein Papa und eine Mama aus unserem Dorf hatten somit einen freien Abend.
In diesem Moment wurde mir, mehr denn je, klar, ich wünsch mir ein Dorf und auch wenn ich es vielleicht nicht täglich und rund um die Uhr nebenan finde, ist es doch eigentlich da.

Wir suchen uns das Dorf aus

Ich glaube, wir alle brauchen unser eigenes Dorf. Ich dachte immer, dass dieses vor allem aus Familienmitgliedern bestehen müsste. Doch jetzt weiß ich, in unserem Dorf gibt es die Familie die ich von Geburt an kenne und niemals missen möchte. Und dann gibt es da noch die Familie die wir uns ausgesucht haben. Nachbarn sind zu Freunden geworden und Freunde zu Familie.

Das Dorf ist heutzutage, vor allem in städtischen Wohngegenden, nicht mehr das was es einmal war. Isoliert und einsam zu leben, ist nicht das was sich für mich gut anfühlt. Vielleicht müssen wir uns das Dorf, in welches wir früher ganz selbstverständlich und ohne unser Zutun hineingeboren wurden, heutzutage einfach selbst basteln. Ich hole schon mal den größten Kochtopf den ich finden kann und stelle Wasser auf…