Mein Freund und ich unterstützen uns gegenseitig. Das war schon immer so. Seit der Geburt unserer Tochter sind wir jedoch noch mehr darauf bedacht, den anderen zu entlasten, uns regelmäßig gegenseitig Auszeiten zu gönnen und in der Zeit in der wir beide zu Hause sind ein Gleichgewicht zwischen Haushalt, Me-Time und We-Time zu finden. Trotz all unserer Bemühungen, würde ich unsere Beziehung zweitweise nicht gerade als gleichberechtigt beschreiben. Warum Gleichberechtigung eine komplizierte Sache ist und wir es manchmal einfach nicht hinbekommen? Genau darüber habe ich mir auch Gedanken gemacht.

Vor Kurzem kam am Wochenende das Thema „Elternteilzeit“ auf. Die Idee, dass wir beide gleich viel Zeit in unsere Arbeit investieren, mit dem Ergebnis, dass wir auch gleich viel Zeit mit unserer Tochter verbringen können, klang anfangs sehr aufregend und vielversprechend. Vor allem mein Freund hatte dieses gewisse Funkeln in den Augen, bei dem Gedanken daran, mehr Zeit zu Hause und mit unserer Kleinen zu verbringen. Das Funkeln schwächte etwas ab, als ich ihm zu bedenken gab, dass es auch Zeiten gibt, in denen unsere Tochter zahnt, fiebert oder schlichtweg unrund ist. Doch es war noch lange nicht erloschen. Aus diesem Grund intensivierten wir unsere Ideen und Gedanken dazu bei einem intensiven Gespräch. Eine klare Aufteilung könnte sich fairer, entspannter und finanziell sicherer (wenn auch nicht finanziell gleichberechtigt) anfühlen. Von den positiven Aspekten auf die Beziehung von Papa und Tochter einmal ganz zu schweigen.

Trotzdem machte sich bei mir im nächsten Moment auch Ablehnung gegenüber der Idee der Gleichberechtigung breit. Ich versuchte herauszufinden, warum ich plötzlich einen inneren Wiederstand verspürte. Mir wurde schnell klar, dass Gleichberechtigung ganz unterschiedliche Formen annehmen kann. Die Definition von Gleichberechtigung, nämlich das Zugestehen von gleichen Rechten, war in unserem Fall ein dehnbarer Begriff. Ich behaupte mal, dass sich dies bei vielen anderen (Eltern)Paaren ähnlich verhält. Vielleicht ist Gleichberechtigung auch schlichtweg der falsche Begriff. Wie auch immer, mich überkam eine Welle von „mental overload“, als ich überlegte wie unser Alltag als gleichberechtigte Elternteile ablaufen würde. Was würde passieren, wenn wir beide beispielsweise 30 Stunden pro Woche arbeiten und die restliche Zeit mit Kind, Haushalt und alltäglichen To Do’s verbringen würden? Wer würde Gedanken zu Spielzeugordnungssystemen, Vorhangwaschtagen, Kindergeburtstagsprogrammen denken? Wir alle kennen die Antwort, nicht wahr?
Wie gesagt, mein Freund unterstützt mich wo und wann immer er kann, (was bei einem 40 Stunden Job mit einem täglichen Anfahrtsweg von insgesamt 3 Stunden eine große Herausforderung ist) doch er setzt seine Prioritäten teilweise einfach auch ganz anders als ich. Würde sich dies ändern wenn er mehr zu Hause wäre oder blieben dann trotz geplanter Gleichberechtigung am Ende der Woche nicht erledigte To Do’s für mich übrig?

Im „mental overload“-Modus

In meinem „mental overload“-Modus, in dem ich mich in Folge unseres Gespräches befand, notierte ich mir einmal all das was mich so tagtäglich und oftmals auch nachts beschäftigt. Die Liste wurde lang und sie wächst ehrlich gesagt stetig an. Vieles davon würde mein Freund bestimmt automatisch übernehmen, wenn er mehr Zeit abseits der Arbeit zur Verfügung hätte, einfach weil er dessen Sinnhaftigkeit am eigenen Leib erfahren würde. Doch was wäre mit dem Rest?
Das Kind  und die Wohnung sauber und adrett zu halten, ist einfach nur die halbe Miete. Wir Mamas schupfen als soziales Geschlecht einfach so viel mehr als nur Haushalt und Kinder. Mit dieser Aussage lehne ich mich vermutlich weit aus dem Emanzipationsfenster, doch Hand aufs Herz, liege ich damit wirklich so falsch?
Jede Familie handhabt dies bestimmt anders, aber in unserer Beziehung bin es nun mal größtenteils ich, die in den meisten Fällen dafür sorgt, dass Geburtstagsgeschenke, Essensvorräte und Co rechtzeitig besorgt werden. Die Organisation von Arztbesuchen für Hund und Kind, das Aussortieren der zu klein gewordenen Wäsche, das rechtzeitige Besorgen größerer Kleidungsstücke oder die Planung von Familienfeiern, jahreszeitlichen Fixpunkte und Treffen mit Freunden sind To Do’s die ganz nebenbei auch erledigt werden wollen.

Ist meine Persönlichkeitsstruktur der Grund dafür, dass ich abends und nachts mit Gedanken über das perfekte Geburtstagsgeschenk für die Nachbarin und Überlegungen zu den optimalsten Winterstiefeln für unsere Tochter wach liege? Zermartern sich andere Menschen auch um drei Uhr in der Früh das Hirn darüber, wie sie es schaffen können zu Weihnachten alle Verwandten zu sehen, ohne dass es in einem Burnout für alle Beteiligten endet? Also auf meinen Freund trifft dies sicherlich nicht zu. Und schenkt man dem Großteil meiner Freundinnen Glauben, verhält es sich in ihrer Partnerschaft ähnlich. Was würde also passieren wenn wir versuchen Gleichberechtigung wirklich zu leben?
Ein spannender Gedanke, der mich zugegebener Maßen etwas stresste. Denn er führte mir vor Augen, dass unsere aktuelle Lebensweise zwar den Nachteil hat, dass ich weitaus mehr unserer alltäglichen To Do’s übernehme, zeigte mir aber auf der anderen Seite auch auf, dass ich dadurch teilweise mehr Entscheidungsfreiheit habe, die Dinge so zu machen, wie ich sie für richtig halte.

Ein gutes Beispiel dafür, war unsere Überlegung, die gesamte Familie zu Weihnachten zu uns einzuladen. Mein Freund bot an, dass er alles organisiert um mich zu entlasten. Mit den Worten, das ich aber nicht nur Würstel mit Senf zum Weihnachtsessen servieren möchte, erstickte ich sein Angebot im Keim.

Vielleicht würde das Projekt „Elternteilzeit“ von Erfolg gekrönt werden, wenn ich meinen Perfektionismus vollkommen ablegen würde und mit den Konsequenzen der Entscheidungen meines Freundes ohne wenn und aber Frieden schließen könnte. Aber ein Weihnachtsfest bei dem es nur Würstel mit Senf zu essen gibt, ist einfach so ganz und gar nicht mein Ding.

Wie seht ihr das?