Rund 30 Prozent der Buben in der dritten Schulstufe sind übergewichtig oder sogar adipös. Bei den Mädchen ist die Rate etwas geringer und reicht von 21 Prozent im Westen und Süden Österreichs bis zu 29 Prozent im Osten. Das ergab eine in dieser Form erstmals durchgeführte Studie, die am Dienstag gemeinsam mit dem Ernährungsbericht 2017 im Gesundheitsministerium präsentiert wurde.

Bei der Studie handelt es sich um eine repräsentative Statuserhebung, in der die Daten von 2.510 Drittklasslern erfasst wurden. Das erfolgte nach einer vorgegeben Methode der Childhood Obesity Surveillance Initiative (COSI) der WHO Europa, durch die vergleichbare Daten von 35 Ländern erhoben werden. Diese können als Basis für entsprechende Maßnahmen herangezogen werden.

“Die Ergebnisse sind ernüchternd”, meinte Daniel Weghuber, Kinderarzt am Universitätsklinikum Salzburg und Vorstandsmitglied der Österreichischen Adipositas Gesellschaft. “Der Anteil der stark übergewichtigen Kinder nimmt zu”, warnte der Experte. In der Studie kristallisierten sich mehrere Faktoren heraus, die offenbar beeinflussen, ob Mädchen und Buben zu viel Speck auf den Rippen haben. “Für mich überraschend war, dass die Verfügbarkeit von Gemüse in der Schule einen Einfluss hat”, sagte Weghuber. Wo Gemüse angeboten wird, sind weniger Kinder übergewichtig. “Und so banal es klingt: In Schulen ohne Turnsaal sind mehr Kinder übergewichtig”, erklärte der Mediziner. Außerdem macht es einen Unterschied, ob Kinder in der Stadt oder auf dem Land wohnen. Ein urbanes Lebensumfeld fördert die Entstehung von Übergewicht.

Dicke Kinder haben ein hohes Risiko, übergewichtige Erwachsene zu werden, und vermeidbare gesundheitliche Probleme zu entwickeln: Eine Vorstufe von Diabetes, Lebererkrankungen, orthopädische und nicht zuletzt psychische Probleme, wenn sie wegen ihres Übergewichts von anderen Kindern verspottet werden. “Wir müssen mit unseren Präventionsmaßnahmen früh begonnen, schon bei den Kleinsten”, erklärte Weghuber und fordert einen nationalen Aktionsplan gegen Adipositas.

Dass Maßnahmen funktionieren, erläuterte er am Beispiel einer Region in Finnland. Dort beschlossen alle Entscheidungsträger einen Aktionsplan, durch den die Rate an übergewichtigen Schulkindern von 17 auf zehn Prozent reduziert wurde. Eine der Maßnahmen: In den Schulstunden wird nicht mehr die meiste Zeit gesessen, sondern gestanden.

Unter den Erwachsenen in Österreich ist die Prävalenz für Übergewicht und Adipositas noch höher als bei den Kindern. 41 Prozent bringen zu viel auf die Waage. Männer sind häufiger betroffen als Frauen, die Rate der Übergewichtigen nimmt mit dem Alter zu. Das geht aus dem Ernährungsbericht hervor, für den mehr als 2.000 Menschen im Alter von 18 bis 64 Jahren freiwillig Auskunft über ihr Ernährungsverhalten gaben. Die Rate stagniert auf hohem Niveau, wie Jürgen König, der Leiter des Departments für Ernährungswissenschaften an der Uni Wien, erklärte.

Als Ursachen machte er unter anderem den hohen Konsum von Fleisch und Süßigkeiten aus. “Vor allem Männer essen viel zu viel Fleisch”, sagte König. Die Österreicher essen auch gern süß – “nicht nur Frauen, sondern auch Männer”. Die Aufnahme an Freiem Zucker sei deutlich zu hoch. Die positive Nachricht: Die Menschen nehmen im Großen und Ganzen in ausreichendem Maß Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffe zu sich. Allenfalls bei Vitamin D gibt es Mängel. Um dem abzuhelfen, empfiehlt König den Aufenthalt an der frischen Luft. Zu niedrig sei die Zufuhr an Ballaststoffen, die unter anderem in Obst und Vollkornprodukten enthalten sind.

Mängel ortet der Ernährungswissenschafter beim Bewusstsein der Österreicher in Sachen Lebensmittelqualität. “Die Menschen essen gern was schmeckt und billig ist”, meinte er am Rand der Pressekonferenz. In anderen Ländern – etwa Italien und Frankreich – seien die Menschen bereit, mehr Geld für qualitativ hochwertige Lebensmittel auszugeben. Als eine der Ursachen für die mangelnde Bereitschaft der Österreicher sieht er die Distanz zur Herstellung von Nahrungsmitteln. “Die meisten Leute wissen nicht, wie produziert wird und was Qualität ausmacht.”

 

APA