Die Sache mit dem Perfektionismus, oder: Warum kriegen wir es einfach nicht hin, unsere Kinder groß zu ziehen?

Ein Gespräch letztens mit einer lieben Freundin, wirkt bei mir wieder einmal sowas von nach. Tausend Gedanken, über meine Familie und mich, meine Freundinnen und deren Kinder, ja sogar über die Gesellschaft an sich und das Wort Perfektionismus kreisen seit dem in meinem Kopf.
Eine Frage die dabei immer wieder auftaucht ist „Warum kriegen wir es einfach nicht hin?“. Oder besser noch „Wer oder was gibt uns das Gefühl, dass das was wir tun nicht gut genug ist?“

Ich bin nicht die einzige die sich diese Frage stellt, vielmehr habe ich das Gefühl, dass sie bei vielen Menschen in meiner Umgebung allgegenwärtig ist. Unsere Kinder trotzen, sie schreien uns an, wollen einfach nicht schlafen und verweigern Essen, Zähne putzen und aufs Töpfchen gehen. Gut, könnten wir jetzt sagen, so sind Kinder halt eben. Doch irgendjemand oder –etwas gibt uns das Gefühl, dass es ganz allein bei uns liegt, wie sich unsere Kinder verhalten, bzw. zukünftig verhalten werden. Stimmt ja auch bis zu einem gewissen Grad. Doch warum fühlt sich diese Aufgabe für viele heutzutage so schwer, kompliziert und überfordernd an?

In dem Moment in dem wir Eltern werden, macht sich das Gefühl breit, es einfach nie so richtig hin zu kriegen mit liebevoller Begleitung und so. Dabei gibt es doch ganz tolle Ratgeber mit Praxistipps und Fallbeispielen, nicht wahr? 
Was dahinter wirklich steckt ist meiner Meinung nach nicht, dass wir tatsächlich versagen, sondern, dass wir immens hohe Ansprüche an uns selbst stellen.

Doch warum ist das bloß so?

Ein Kind großzuziehen, ohne dass es sich verletzt, reicht schon lange nicht mehr aus. Es muss bedürfnisorientiert, liebevoll und selbstbestimmt aufwachsen. Und das muss nicht nur am Montag und Dienstag, sondern sieben Tage die Woche vierundzwanzig Stunden lang so sein. 
Stillst du, bist du Mutter des Jahres. Es weiß doch jede/r (ja, auch ich bemühe mich mittlerweile zu gendern. Zum einen weil ich dessen Relevanz nun auch begriffen haben, zum anderen weil ich weiß, dass es so vielen sehr wichtig ist. Und…ja genau, weil ich ja immer alles richtig machen möchte), dass Muttermilch das Beste für unsere Kinder ist. Tust du dies länger als ein halbes Jahr, kassierst du bereits den ein oder anderen verwunderten Blick oder einen Augenroller. Saugt dein Kind im zweiten Lebensjahr noch immer an deinem Busen, giltst du bereits als seltsam. Über die Stellung langzeitstillender Mütter in unserer Gesellschaft, möchte ich an dieser Stelle gar nicht näher eingehen (sonst rege ich mich nur auf). Mit dem Essen, der Kleidung und deinem Berufseinstieg verhält es sich ähnlich. Wir müssen unsere Freunde, Verwandten und die „nette“ Dame an der Billa-Kassa gar nicht mehr um ihre ungefragte Meinung fragen, sie wird uns ohnehin über Facebook, Insta und Co auf dem Silbertablett serviert.

Früher haben wir uns ein Buch gekauft, wenn wir genauer über ein Thema Bescheid wissen wollten. Wir haben das Buch ausgewählt, das uns besonders entsprach. Heute werden uns Büchern, die wir damals im Regal stehen gelassen hätten, weil uns ihr Titel und Klappentext nicht angesprochen hat, regelrecht unter die Nase gerieben. Mir ist es nicht erst einmal passiert, dass plötzlich irgendein/e Autor/in mich übers Handy angequatscht hat, obwohl ich ihr Video gar nicht angeklickt habe. Ich weiß, wer multimediaaffin ist, ist klar im Vorteil, aber wann finde ich denn bitte die Zeit, mich mit den Einstellungen zum automatischen Abspielen von Videos auseinanderzusetzen?

Manchmal habe ich das Gefühl, mir werden ganz nebenbei Gedanken eingeimpft, die ich gar nicht denken möchte. Die meisten davon suggerieren, dass ich eben noch nicht genug für die Umwelt, mein Kind und den Weltfrieden mache, dass ich es einfach wieder einmal nicht hinkriege.

Weihnachten und Geburtstage sind auch so ein Thema…

Rechtzeitig Geschenke zu kaufen ist heut zu Tage einfach nicht mehr genug. Es müssen, nachhaltige, an die Entwicklung und Bedürfnisse unserer Kinder angepasste Überraschungen sein. Diese sollten bestenfalls nicht online bestellt und geliefert werden, sondern offline zu Fuß oder mit den Öffis, nur ja nicht mit dem Auto, eingesammelt werden. Geschenkpapier und Co, sind aktuell auch ein absolutes Tabu, unser Planet leidet auch so schon viel zu sehr. Zero Waste ist angesagt. Durch und durch selbstgemacht wäre sowieso am aller Besten.

Wie kann es sein, frag ich mich, dass wir zu Zeiten von Anti-Mum-Bashing-Kampagnen noch immer und ständig das Gefühl haben, unseren Job nicht gut genug zu machen?