Stillen! Kein anderes Mamathema polarisiert aktuell so sehr wie die Entscheidung einer Mutter für oder gegen das Stillen ihres Babys. Wenn es nach der Meinung der Gesellschaft geht, scheint es manchmal so, dass jede stillende Mama dies zu kurz oder zu lange macht.

„Was du stillst schon ab? Hast du dir das auch gut überlegt? Jeder weiß doch, wie wichtig Muttermilch für die Gesundheit eines Babys ist.“, hört man viele bis zum 6. Lebensmonat sagen. Gefühlt nur ein paar Tage nach dem ersten Halbjahr, wird die den Busen auspackende Mama dann schon skeptisch beäugt. Mit einem „Achso du stillst noch?“ bekommt man dann die ach so subtile Verwunderung der Mitmenschen präsentiert. „Aber bekommt er/sie nicht schon ein Breichen? Deine Milch ist ja bestimmt nicht mehr ausreichend, oder?“.


Leute, die Zusammensetzung der Muttermilch verändert sich entsprechend der Entwicklung eines Babys. Anfangs enthält sie viele Inhaltsstoffe die zum Gehirnwachstum beitragen. Etwa ein halbes Jahr nach der Geburt, wenn ein Baby zunehmend mobiler wird, verändern sich auch die Inhaltsstoffe der Muttermilch dahingehend. Die Natur hat also eindeutig nicht vorgesehen, dass ein Baby mit einem halben Jahr abgestillt werden muss. Beikost und Stillen schließen einander nicht aus, sondern ergänzen einander vielmehr optimal.
Das bedeutet aber nicht, dass es einem Baby, das früher abgestillt wird an irgendetwas fehlt.

Mein Papa sagt jedes Mal wenn das Enkeltöchterlein gestillt wird verwundert „Aso, ich hab‘ dacht‘ des machst nimma“. Und jedes Mal frage ich ihn wie er darauf kommt.
Schon bevor ich schwanger wurde, kannte ich die Einstellung meiner Oma nur zu gut, echauffierte sie sich doch immer wieder lauthals über eine Verwandte um dreißig Ecken, die ihr Kind mit einem Jahr noch immer stille.  Seit dem übe ich mich in nobler Zurückhaltung diesbezüglich. Was nicht heißt, dass ich meine Tochter nicht in der Gegenwart ihrer Urlioma stille.

Bitte versteht mich nicht falsch, ich finde es auch nicht angebracht, extra auffällig und sichtbar provozierend zu Stillen, nur um ein Statement abzugeben. Ich kann es nur nicht verstehen, warum eine individuelle Entscheidung wie diese nicht einfach akzeptiert werden kann.
Die älteren Generationen sind anscheinend also noch immer alt genug um andere Erfahrungen und somit andere Einstellung zum Thema Stillen zu haben. Aber bitte was ist mit unserer Generation los?

„Tue mir nur einen Gefallen, stille sie nicht bis sie 7 Jahre alt ist. Die Cousine einer Freundin einer Freundin einer Freundin tut das. Das ist doch nicht normal, finde ich.“
Ähmmm…entschuldigung!!! Also einmal abgesehen davon, dass dich das überhaupt nichts angeht, was möchtest du mir damit sagen? Dass ich am Weg bin, abnormal zu sein oder zu werden?

Ich habe einige stillende Freundinnen die ihre Kinder über das erste Lebensjahr hinaus stillen. Interessanterweise kommt in diesen Runden nie das Thema Stillen vs. Fläschchen geben auf.
Für andere Freundinnen und Verwandte hingegen scheint es sehr wohl einen Unterschied zu machen wie lange ich vor habe meine Tochter zu stillen.
Vor allem wenn mein Baby schlecht schläft (und das ist fast jede Nacht der Fall), Bauchweh, Verstopfung oder Durchfall hat oder auf eine andere Art unpässlich erscheint, kommen zu aller erst Fragen und Tipps zum Thema Ernährung…und damit meine ich zum Thema Stillen.
„Vielleicht hast du ja zu wenig/ zu dünne/ eine schlecht verträgliche Milch“ oder „Probier‘ doch mal ein Fläschchen aus, dann schläft sie bestimmt besser“ kommt dann oftmals noch bevor ich mich überhaupt über den Ist-Zustand beklagen kann, geschweige denn um Rat Frage.
Ich bin eigentlich eine selbstbewusste und überzeugte Stillmama, aber unter Schlafentzug und wenn ein Tipp zum gefühlt 100sten Mal kommt, komme selbst ich ins Schwanken.
Was nach Gesprächen wie diesen bleibt, ist das Gefühl etwas falsch zu machen. Ein Gefühl unzulänglich zu sein oder dem eigenen Kind nicht gut zu tun. Teilweise dachte ich sogar schon darüber nach ob ich meinem Baby das Stillen „aufzwinge“, weil ich es genieße und der Meinung bin, dass es uns beiden gut tut. Das ist natürlich nicht der Fall, zeigt mir dann mein Baby, wenn es schmatzend und zufrieden im Busen versinkt und dabei von einem Ohr zum anderen strahlt.

Ich stille mein Baby obwohl es älter als 6 Monate ist. Ich stille es auch in der Öffentlichkeit. Und ich genieße es, nicht immer, nicht morgens um 3 Uhr, aber meistens.
Und trotzdem kann mein Baby ohne Probleme einen Tag mit Papa verbringen.

Nach 10 Monaten stillen glaube ich mir schön langsam selbst wenn ich sage, dass sie auch eines nachts durchschlafen wird obwohl sie gestillt wird. Jetzt müssen es nur noch die anderen glauben. Denn die sind es, die mich immer wieder zweifeln lassen und mir das Gefühl geben mich dafür rechtfertigen zu müssen. Ich möchte aber nicht zweifeln oder mich schlecht fühlen. Eigentlich möchte ich einfach nur meine eigenen Entscheidungen treffen.

Ich empfinde es als ohnehin schon sehr fordernd sich ständig Gedanken darüber zu machen, welche Entscheidung gut für dieses kleine, noch recht hilflose Wesen ist. Welchen Autositz kaufen wir? Wie stehen wir zum Thema impfen? Wann steigen wir von der Babywanne auf den Sportsitz um?
Ist dann endlich ein Konsens mit dem Partner gefunden, wünsche ich mir dritte Meinungen bitte nur in kleinen Dosen und bestenfalls auf Nachfrage. Danke!