Neulich in der Sandkiste klaut ein Pimpf, keine zwei Jahre, meinem Sohn die Schaufel. Der war etwas erregt, weniger freudig. Während ich beschwichtige, dass die Schaufel kurz geborgt sei, hält uns die Mutter den Noch-Nicht-Zweijährigen vors Gesicht und sagt, er muss sich jetzt entschuldigen – 15. Mal. Als ich meinte: „Das wird nicht klappen, trotzdem danke!“, war sie ganz geknickt, Erziehungsversagen sozusagen. Ich seh’ das locker, wenn der Schaufelklauer nicht will, muss er sich auf keinen Fall entschuldigen. Das ist für ihn einfach kein Thema, er ist gerade daran, die Welt zu entdecken bzw. die Sandkiste mit der Schaufel, wurscht, woher die stammt.

Alles hat seine Zeit

„Sie können einem Dreijährigen nichts beibringen, zu dem er noch nicht bereit ist“, sagt Remo Largo, Professor für Kinderheilkunde aus der Schweiz. Entwicklungen – in diesem Fall Entschuldigungen – müssen vom Kind ausgehen. Wenn ein Dreijähriger lesen möchte, bitte. Aber der Zeitpunkt, wann ein Kind soweit ist, mit Zahlen oder Buchstaben umzugehen, lässt sich nicht bestimmen, sondern wird vom Kind definiert, da hilft auch kein Fördermaterial. Und wenn ein zweijähriges Kind eine Schaufel klaut, weil es grad dringend was ausgraben muss, dann wird es das tun. Da kannst du auch vorm Schlafengehen Gesetzestexte vorlesen oder Schäfer-Elmayer buchen. Es wird diese Schaufel einfach nehmen. Und es ist in Ordnung – auch ohne Entschuldigung.

Hat Fisher Price da was im Regal? Den Entschuldigungs-Lern-Affen? Nein! Soziale Regeln können wir nur immer wieder vorleben, wie generelle Höflichkeit im Alltag zum Beispiel. Wer sein Kind fördern will, braucht kein Plastik-Bauernhof-Tier, das sinnfreie Phrasen faselt. Wer seinem Kind diktiert, es muss auf das musizierende Töpfchen machen und das Klothema noch gar nicht beim Kind angekommen ist, der kann sich dieses schlichtweg aufsetzen. Da hilft kein Müssen und Sollen sondern etwas Zeit und Muße, das Gehirn braucht noch Reifung, damit das Klogehen klappt, basta. Kinder wollen die Welt anschauen und forschen, bis sie an einem Thema satt sind – das klappt auch für uns – exklusive Steckdosen und Stanleymessern.
Erfahrungen sammeln ist enorm wichtig, denn es heißt auch immer, ein Stück Reife zu vollziehen. Das können die kleinen Entdecker im Alltag, indem sie viel Zeit mit ihren Eltern verbringen oder mit unterschiedlichen Materialien wie Kartons, Stoffresten und Farben, anstelle von Pseudo-Förder-Plastik-Gedudel auf Rädern. Es braucht nur einen Ort, an dem sie hantieren dürfen ohne ein „Hör auf“ oder „Räum auf!“. Vielleicht aber auch mal tosenden Beifall, wenn ein Riesenpopel nach ausgiebigem Gebohre dann stolz am Finger thront.