Ich denke, ich bin eine sehr selbstbewusste Frau. Zumindest haben mir andere bereits mehrmals rückgemeldet, dass ich stehts diesen Eindruck erwecke. Es gibt jedoch Bereiche in meinem Leben in denen ich mich selbst als zurückhaltend und eher zaghaft erlebe. Dies ist vor allem der Fall wenn ich Situationen als ungerecht oder inkorrekt wahrnehme.

Vor Kurzem saß ich mit meiner Tochter in der Sandkiste, als eine Frau telefonierend mit ihrem Hund an uns vorbeispazierte. Ein Stück weit von uns entfernt, aber noch direkt auf dem Kinderspielplatz markierte ihr Hund sein Revier. Ich, selbst Hundebesitzerin, fand das sehr empörend. Grundsätzlich schon und zusätzlich da rund um uns unzählige freie Wiesen und ein großes Waldgebiet waren. Ich diskutierte innerlich so lange mit mir selbst ob ich ihr nachrufen solle, bis sie um die nächste Ecke verschwunden war. Sie hätte mich ohnehin nicht gehört, beruhigte ich mich dann. Sie war ja so weit weg und telefonierte auch noch. Ich hätte ihr unmöglich nachlaufen können, weil meine Tochter ja gerade im Sand buddelte…ausserdem und sowieso…

Dann bog sie um die Ecke

Kurz darauf kam sie zurück. Wieder trug ich innerlich den Konflikt aus ob ich sie auf den, nun doch schon einige Minuten zurück liegenden, Vorfall ansprechen solle. Es war ja schon so viel Zeit seit dem Vorfall vergangen und sie hatte es ja vermutlich gar nicht mitbekommen weil sie doch telefonierte. Da blickte ich meine Tochter an und überlegte mir mit welchem Gefühl ich mit ihr nach Hause gehen wollen würde. Plötzlich fand ich keine Ausrede mehr. Ich fasste mir ein Herz und sprach die Dame freundlich aber bestimmt auf den Vorfall an. Der Hundebesitzerin war die Sache sichtlich unangenehm und sie entschuldigte sich.
Noch ist meine Tochter zu klein um Situationen wie diese zu verstehen, aber sie wird älter und dann möchte ich ihr ein Vorbild sein. Ich ging mit einem sehr guten Gefühl nach Hause.

Für manch anderen mag dies eine Nichtigkeit sein, für mich war es ein großer und wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Oft überlege ich mir, was ich meiner Tochter für ihr Leben mitgeben möchte.
Einer meiner Gedanken dabei ist es, dass ich ihr und mir wünsche, dass sie sich stark für sich selbst und andere macht. Sie soll Unrecht erkennen und sich ohne zu Zögern dafür einsetzen.

Ich denke, dass wir alle so ein Thema mit uns herum tragen. Oft höre ich Mütter sagen, „Ach ich weiß auch nicht warum sie immer so gestresst ist, ich wünschte sie könnte auch einmal zur Ruhe kommen“. Dabei versuchen sie mit Handy und Kaffeetasse ihr Zweitgeborenes auf dem Schoß zu balancieren und rufen ihrem Erstgeborenen zu, es solle sich gut festhalten beim klettern, während es seinen Keks isst. Andere wundern sich warum ihr Kind nicht ruhig sitzen kann, während sie von ihrem Partner erzählen, der sich letztes Wochenende wieder beim Skifahren eine Rippe geprellt hat, weil er vom Fußballspielen noch müde war. Wieder andere grübeln welche Person einmal aus ihrem Baby werden würde, welches sich alle Spielsachen ohne Widerstand wegnehmen lässt, nachdem sie kurz davor von ihrem Job erzählt haben, in dem sie schon wieder als einzige keine Gehaltserhöhung bekommen haben.

Ich verurteile niemanden für das wie er ist, habe ich doch selbst noch so viel woran ich arbeiten möchte. Doch ich hab viel darüber nachgedacht wie manche Menschen und deren Kinder sind. Wer kurz inne hält dem fallen bestimmt gleich einmal ein paar Freunde ein, die ihre Kinder nicht nur optisch sondern auch charaktertechnisch nicht abstreiten können.

Wir können uns bemühen unsere Kinder entsprechend ihres Entwicklungsstandes zu fördern, wir können unsere Wohnungen kindgerecht und -sicher gestalten und unserem Nachwuchs jahrelang erklären wie die Welt funktioniert. Und doch werden sie ein Abbild unserer Selbst…kleine Minimes, die uns vor allem unsere Unzulänglichkeiten aufzeigen.

Ich denke, sich zurückzulehnen und dem eigenen Kind zu wünschen, dass es schlagfertiger, selbstbewusster, erfolgreicher oder mutiger wird, funktioniert einfach nicht. Wenn ich aus meiner Tochter eine selbstbewusste Frau machen möchte, die für sich und andere einsteht, muss ich ihr zeigen wie das funktioniert indem ich es ihr vorlebe.
Und ist es nicht so, dass uns manches viel leichter fällt wenn wir es für andere tun. Wenn ich einmal schwanger bin, höre ich sofort zu rauchen auf. Wenn ich einmal ein Kind habe, esse ich kein Nutella mehr zum Frühstück. Vorsätze wie diese haben wir doch alle, nicht wahr? Ich finde das vollkommen in Ordnung. Ist doch egal ob ich mich für mich ändere oder für jemand anderen, solange ich mir dabei treu bleibe, oder?

Nach diesem Sandkistenvormittag bin ich auf jeden Fall aufrecht und voller Stolz mit meinem Mädal nach Hause galoppiert. In Gedanken hatte ich bereits viele solcher Schlachten für uns geschlagen…vorerst für uns beide, irgendwann dann nur noch für mich selbst, weil meine Tochter dann bestimmt bereits selbst für sich kämpfen würde können. Schon der Gedanke daran erfüllt mich mit großem Stolz.