Wir haben uns dazu entschieden unser Baby mit Stoffwindeln zu wickeln. Unsere Freunde halten uns seitdem für Ökos. Sie sagen es nicht, aber ich glaube, viele denken es sich. Wir haben diese Entscheidung aus unterschiedlichen Gründen getroffen. Natürlich war die Reduktion von Plastikmüll ein nicht unwesentlicher Aspekt.

Seit 15 Monaten sind wir nun schon alle drei Tage mit dem Waschen von Windeln beschäftigt. Klar kostet das Zeit, doch da es sehr schnell zur Routine wurde, fällt es uns gar nicht mehr so auf.

Das dies nur einen kleinen Teil eines großen Ganzen ausmacht, ist mir erst vor Kurzem bewusst geworden. Ich war gerade dabei alles herzurichten was wir brauchen um einen Nachmittag unterwegs zu sein. Mein Blick fiel auf die Uhr und mir wurde bewusst, dass wir wieder einmal viel zu spät dran waren. Warum, dachte ich mir, schaffen wir es nie pünktlich aus dem Haus zu kommen. Dann fiel mein Blick auf die wiederbefüllbaren Quetschies in meiner Hand. Hm, dachte ich mir, andere kaufen sie einfach und werfen sie danach weg.
Meine Gedanken kreisten weiter…

Wir wickeln nicht nur mit Stoffwindeln, die regelmäßig gewaschen werden wollen und befüllen little Ladies Quetschis selbst, sondern ich verwende zum Beispiel auch ausschließlich waschbare Stilleinlagen und verzichte auf Plastik für die Aufbewahrung von Getränken und Lebensmitteln.
Bereits in meiner Kindheit wurde mir mitgegeben, dass das Kaufen von weit hergereistem Obst und Gemüse nicht sehr ökologisch ist. Dadurch verbringe ich viel Zeit damit die winzig kleinen Aufdrucke auf Lebensmitteln nach ihrem Herkunftsort zu durchforsten. Weil mir das oftmals mühsam ist, haben wir uns dazu entschieden zukünftig das meiste selbst anzubauen. Da kommt eine Menge Arbeit auf uns zu.
Ich habe anscheinend vieles ganz selbstverständlich von meinen Eltern und meinem Freund übernommen und, vor allem seit ich Mama bin, anscheinend nach und nach in mein Denken integriert. Erst in diesem Moment wurde mir bewusst was sich alles an zeitfressender Nachhaltigkeit über Jahre in unsere kleine Familie eingeschlichen hatte. Vieles wurde zur Routine, zu einer Selbstverständlichkeit, die wir nicht mehr hinterfragten.
Keine Sorge, das soll keine Selbstbeweihräucherung werden…auch ich bin keine Heilige und auch keineswegs selbstlos. Ich fahre zum Beispiel liebend gerne Auto und möchte auch in Zukunft nicht darauf verzichten. Meine Stilleinlagen aus Stoff habe ich nur, weil ich Plastik auf der Haut unangenehm finde. Dass sie die Einwegeinlagen aus Kunststoff ersetzen, ist eine sehr schöne Nebenerscheinung.
Doch aus welchen Beweggründen auch immer, in diesem Moment wurde mir bewusst, dass wir in vielerlei Hinsicht nachhaltig und ressourcenschonend leben. Irgendwie ein befriedigender Gedanke, dass unsere Tochter diese Werte von Anfang an mitbekommt, kam mir sogleich in den Sinn. Im Alltag sind die positiven Aspekte unseres selbstgewählten Lebensstils jedoch leider nur selten für mich spürbar. Vielmehr kämpfe ich mehrmals wöchentlich mit den fehlenden Zeitressourcen und ertappe mich dabei wie ich unsere Entscheidungen vor anderen rechtfertige.
Unlängst fragte mich ein entfernter Bekannter warum unsere Tochter ein Fläschchen aus Glas hat. Hm…mir war nicht bewusst, dass es Menschen gibt, die die Antwort auf diese Frage tatsächlich nicht kennen. In Situationen wie diesen spüre ich eine Kluft zwischen unserer kleinen Familie und anderen Familien. Ich habe oft das Gefühl, dass wir anders sind. Und aus unerfindlichen Gründen macht mir dieser Gedanke manchmal ein schlechtes Gefühl. Wird unsere Tochter dies später auch zu spüren bekommen?

Ich bin überzeugt davon, dass jede Mama ihr Bestes gibt. Die eine Mama legt viel Wert darauf täglich frisch zu kochen. Für die andere Mama ist es vielleicht nicht so wichtig, woher das Essen kommt und ob es warm oder kalt ist, sie möchte lieber viel Zeit damit verbringen mit ihrem Kind zu spielen und zu lesen. Wieder eine andere Mama findet, dass Frischluft besonders wichtig ist und verbannt Fernseher und Co aus ihrem zu Hause. Ich denke, es ist unmöglich alles umzusetzen was einem wichtig erscheint. Es gilt also Prioritäten zu setzen und seinen eigenen Weg zu finden.
Ich, so dachte ich weiter, bin also die Ökomum…zumindest sehen mich andere womöglich so. So hatte ich mich selbst bisher noch nicht betrachtet.

Als ich so darüber nachdachte, warum mir schon wieder die Zeit fehlt und ich immer wieder gegenüber Freunden und Familie in Erklärungsnot komme, wurde mir klar, dass Nachhaltigkeit einfach Zeit braucht und schlicht weg ungemütlich ist. Ich glaube, Menschen die keinen Wert darauf legen nachhaltig, ökologisch und/ oder ressourcenschonend zu leben, erleben all jene die dies versuchen oder auch schaffen als anstrengend. Indem ich etwas anders mache als du, hinterfrage ich, automatisch und ohne dafür Worte zu gebrauchen, deinen Lebensstil. Das kann beim Gegenüber zu einem schlechten Gewissen oder Unverständnis führen.

Wie auch immer, ich fühle mich, trotz hohem Zeitaufwand, eigentlich sehr wohl mit unserem Lebensstil und möchte mich dafür nicht rechtfertigen müssen. Womöglich muss ich das auch gar nicht. Vielleicht habe ich nur das Gefühl ich müsste es, weil ich spüre, dass ich mich über die Jahre verändert habe. Und vermutlich ist es das was wir unseren Kindern, abseits von unseren tatsächlichen Vorstellungen, Wünschen und unserer Lebensgestaltung mitgeben sollten…das Selbstbewusstsein und die Entschlossenheit, ihren eigenen Weg zu finden und ihn auch zu gehen…wie auch immer sich dieser gestalten mag.