Kann man sein Kind stark für die Welt machen? Ich weiß es nicht. Oder vielleicht doch?

Ab wann wird liebevolle Begleitung zu gluckenhaftem Bemuttern? Wie kann ich mein Kind stark für die Welt machen, ohne es dadurch zu überfordern? Wie viel Liebe, Geborgenheit und Nähe ist für ein Kind gut? Kann es sein, dass ich durch zu viel Schutz und Geborgenheit, verhindere, dass mein Baby selbstbewusst und selbstständig in die Welt geht?

Fragen über Fragen die immer wieder in meinem Kopf kreisen…

Heute Morgen ist meine kleine Madame freudestrahlend in den Kindergarten gelaufen. Ich, etwas irritiert aber überglücklich, hinterher. Seit einigen Wochen ist sie lieber zu Hause als im Kindergarten, was mir immer wieder Kopfzerbrechen bereitet. Mir war klar, dass diese Zeit kommen würde und auch, dass es ganz normal ist, wenn Kinder phasenweise nicht so gerne in den Kindergarten gehen wollen, daraus muss man doch nicht gleich ein riesen Thema machen (so sagte ich mir die beruhigenden Worte täglich vor). Und trotzdem, lieber ist es mir, wenn sie freudestrahlend zur Kindergartentür hinein läuft. So auch heute Morgen. Also ich, fröhlich hinterher. Unser Übermut wurde hart gebremst, als uns bewusst wurde, dass ihre Kindergärtnerinnen beide nicht da waren.

Eine Situation wie diese kann eine Mama wie mich schon einmal aus der Bahn werfen. Denn ich wünsche mir auf der einen Seite, dass meine Kleine stark für die Welt wird und sich flexibel, bzw. spontan an die Gegebenheiten ihrer Umwelt anpasst, möchte sie jedoch andererseits vor Situationen bewahren, in denen sie sich nicht wohl fühlt, die sie verunsichern oder ihr sogar Bauchweh machen. 

Wir bemühen uns immer sehr, die Bedürfnisse unserer Tochter wahr- und ernst zu nehmen. Das bedeutet nicht, dass unser Kind alles entscheiden darf, es bedeutet lediglich, dass wir es als vollwertige Person sehen und ihren Bedürfnissen, Meinungen und Emotionen Raum geben.

Sie entscheidet selbst

Sie ist nun in einem Alter, in dem ich es als besonders wichtig erachte, dass sie lernt, ihre eigenen Grenzen auch nach außen klar zu formulieren und zu vertreten. Aus diesem Grund entscheidet sie ganz klar selbst, ob sie beispielsweise Opa ein Bussi gibt, ihre Tante verabschiedet oder sich von Oma wickeln lässt. Schwierig wird es dann, wenn ein Kind in eine Situation kommt, die ihm so gar nicht entspricht, die Umstände jedoch erfordern, dass es darin verharrt. An einer Situation wie dieser kann es unglaublich wachsen, indem es sich überwindet und offen für neue Erfahrungen wird. Eine Situation wie diese kann es jedoch auch einschüchtern, bremsen und womöglich vorgefertigte Meinungen bestätigen.

Wie ist es also möglich, ein Kind stark für die Welt zu machen, seine individuellen Grenzen zu wahren, ihm Schutz und Zuflucht zu geben und trotzdem Unausweichliches konsequent durchzusetzen, auch um neue Erfahrungen in sein Leben zu bringen?

Respekt, Baby

Grundsätzlich glaube ich, meine persönliche Antwort darauf bereits gefunden zu haben. Ich möchte die Individualität meiner Tochter fördern indem ich sie respektiere. Ich vermeide das „müssen“ und bestärke sie ihm „wollen“. Ich gebe ihr Wurzeln und Flügeln, je nach Tagesverfassung, eigener Kapazitäten und Bauchgefühl. Und ich zeige ihr ganz klar meine eigenen Grenzen auf, um in ihr ein Bewusstsein für die Unterschiedlichkeit der Menschen zu schaffen.
Das alles tue ich stets im Hinblick auf das Fernziel, sie Stark für die Welt in der wir nun einmal leben zu machen und ihr gleichzeitig Raum und Zeit für ihre individuelle Entfaltung zu geben.
Klingt total easy, wenn man es sich einmal alles durchdacht hat, nicht wahr?

Ist es aber nicht! Denn in Momenten wie heute Morgen im Kindergarten, bin ich mir plötzlich nicht mehr so sicher. Ich glaube zu wissen was sich mein Kind denkt und wünscht, frage aber lieber nicht nach, denn ich könnte die Folgen so spontan und unerwartet einfach nicht tragen. Ich möchte sie auch nicht durch meine eigene Unsicherheit ins Schwanken bringen, ihr eine neue (möglicherweise) unangenehme Situation nicht abnehmen. Sie muss ihre eigenen Erfahrungen machen. Auch Erlebnisse wie diese gehören einfach zum Leben dazu.

Doch warum eigentlich? Ich gestalte mein Leben nach meinen Vorstellungen. Dazu gehört auch, dass ich mir unangenehme Situationen gezielt erspare und negative Erfahrungen nach Möglichkeit vermeide. Woher kommt die Idee, dass unsere Kinder durch eine harte Schule gehen müssen, um stark für die Welt zu werden. Weil sie andernfalls schwach werden, untergehen, niemals selbstständig werden?

Wie gesagt, was sonst so klar scheint, erscheint mir in Situationen wie diesen plötzlich gar nicht mehr so logisch wie zuvor.

Wie geht es dir damit? Versuchst du dein Kind vor Herausforderungen zu schützen um ihm (möglicherweise) negative Erfahrungen zu ersparen? Oder bist du der Meinung, der Weg zu einer starken und selbstbewussten Persönlichkeit führt unweigerlich durch eine harte Schule der Realität?