Österreichische und deutsche Eltern haben oftmals die Sorge ihr Kind durch falsches, nachgiebiges oder widersprüchliches Verhalten zu sehr zu verwöhnen. Dabei tauchen vor allem Ängste im Zusammenhang mit den Themen Stillen, Tragen und Schlafen auf. Diese Sorge ist in keiner anderen Kultur so groß wie im deutschsprachigen Raum.

Aber woher kommt diese Sorge? Kann man ein Baby wirklich zu viel Körperkontakt geben? Ist es besorgniserregend wenn man ein schreiendes Baby durch Nähe beruhigt? Sollte man ein Baby lieber nicht stillen wenn es dies einfordert und besser doch die üblichen drei Stunden Stillpause einhalten? Und ist es verwerflich sein Baby bei sich im Bett schlafen zu lassen?

Ein Baby kann man nicht verwöhnen, heißt es immer. Woher kommt dann aber diese große Angst vor dem Verwöhnen bei den Österreichern und Deutschen?
Dr. med. habil. Brisch schreibt in seinen Büchern über die frühe Eltern- Kind- Bindung, dass die Angst das eigene Kind zu sehr zu verwöhnen im westlichen Kulturkreis besonders verbreitet ist. Sie sei sogar größer als die Sorge, dass die Geburt komplikationsfrei verläuft und das Kind gesund ist, bzw. bleibt.

Er führt dies auf die Zeit des Nationalsozialismus zurück. Mütter erhielten Elternratgeber als Geschenk von den Nazis. Darin wurden sie dazu angehalten ihrem Nachwuchs gegenüber nur ja nicht zu nachgiebig zu sein. Es wurden Anleitungen weitergegeben, um seinem Kind eine möglichst große Frustrationstoleranz anzuerziehen. Aus den damaligen Babys sollten später Soldaten werden, die, wie es in Hitlers „Mein Kampf“ heißt, hart wie Stahl sind. Eine Mutter solle gegenüber ihren Kindern nur ja nicht Zögern oder gar Schwäche zeigen. Sie solle ihr schreiendes Kind auch nicht durch Herumtragen, Wiegen oder Stillen beruhigen. Kinder, so hieß es, würden dadurch zu Tyrannen. Vielmehr wird dazu geraten schreiende Kinder an einen stillen Ort abzuschieben und erst zur nächsten Mahlzeit wieder zu holen.
Überdies hinaus wäre eine starke Bindung zwischen Mutter und Kind nicht förderlich für den Fortbestand des Systems gewesen. Die damaligen Babys mussten ja ein paar Jahre später, mit der Bereitschaft sich für ihr Land zu opfern, in den Krieg ziehen.

Die „Weisheiten“ des Nationalsozialismus sind stark mit den Wurzeln unserer Vorfahren verwachsen. Aus diesem Grund werden noch immer Tipps und Tricks dieser Zeit, teilweise in abgeschwächter Form, von der älteren Generation an junge Eltern weitergegeben. Wer kennt sie nicht, Vorwürfe wie „Wenn du dein Baby immer nur herumschleppst, verwöhnst du es.“, „Wir haben auch nicht immer gleich alles bekommen was wir wollten und es ist trotzdem etwas aus uns geworden“, „Dieses Kind braucht nur einmal raunzen und schon nehmt ihr es hoch. Euer Baby wickelt euch jetzt schon um den kleinen Finger“.
In unseren Buchhandlungen finden sich nach wie vor gern gekaufte Werke die dazu raten ein weinendes Baby nachts unter keinen Umständen aufzunehmen, weil man es dadurch verwöhnt.

Zum Glück liegt die Zeit, in der das Hauptziel in der Erziehung unserer Kinder auf deren Anpassungsfähigkeit und Unterwürfigkeit ausgerichtet war, weit hinter uns. Dessen Erbe wird uns jedoch noch ein paar Jahrzehnte begleiten.
Geben wir unseren Kindern ihre Kindheit zurück. Schenken wir ihnen Aufmerksamkeit und Liebe. Lassen wir sie ihre natürliche Neugierde durch freies Spielen und Forschen stillen. Und geben wir ihnen die Nähe die sie brauchen. Dann werden zukünftig kreative Freigeister und revolutionäre Querdenker heranwachsen, die unsere Welt zu einem besseren Ort machen.