Ich habe sehr mit mir gehadert meine Tochter im jungen Alter von gerade einmal 18 Monaten in die Kindergrippe zu geben. Als die Entscheidung fiel, war sie gerade erst 7 Monate alt. Da ich selbstständig tätig bin und meine Karenz nach 15 Monaten zu Ende war, sah ich mich jedoch leider dazu gezwungen.

Den meisten meiner Freundinnen ergeht es ebenso. Keine Frau kann abschätzen wie schwer diese Entscheidung fällt, solange sie kinderlos ist. Auch wenn unsere Tochter schon sehr früh ab und an alleine bei Oma oder Tante zu Besuch war, sie in die Hände völlig fremder Personen zu geben, löste bei mir dann doch ein etwas mulmiges Gefühl aus. Seltsam eigentlich, wo ich doch selbst als Kindergärtnerin gearbeitet habe und weiß wie es hinter den Kulissen abläuft… vielleicht aber gerade deswegen.
Unsere „Kinder“, die Kinder der Gruppe in der ich über drei Jahre lang arbeitete, hatten es einfach wirklich gut bei uns. Meine Kollegin und ich waren immer darauf bedacht den Bedürfnissen aller Kinder gerecht zu werden, ihnen unsere Aufmerksamkeit zu schenken und ihnen viel Liebe zu geben. Und auch die Assistenten und Assistentinnen, sowie die Pädagoginnen der anderen Gruppen gaben täglich ihr Bestes.
Doch ist das Beste für das eigene Kind auch wirklich gut genug? Wir konnten noch so gut auf unsere Schützlinge aufpassen und versuchen für alle gleichermaßen verfügbar zu sein, bei insgesamt 63 Kindern zwischen 1 und 6 Jahren (wir arbeiteten in einem offenen, gruppenerweiterten Haus), erschien es uns manchmal trotzdem schier unmöglich dieses hohe Ziel zu erreichen. In den Wintermonaten gab es rund 50 Nasen am Tag zu putzen, im Sommer 63 Kappen aufzusetzen und ganzjährig mehrere tausend Wehwehs wegzustreicheln, Streitereien zu schlichten und Windeln zu wechseln. Würden die AssistentInnen und PädagogInnen unserer Tochter das genauso gut hinbekommen wie wir damals, fragte ich mich während ich das Anmeldeformular für den Kindergarteneintritt ausfüllte?

Jetzt, 11 Monate später, weiß ich, sie schaffen es nicht nur irgendwie, sondern sie schaffen es mindestens genauso gut wie meine KollegInnen und ich früher. Nur durch ihre liebevolle Begleitung, habe ich es geschafft loszulassen und vollkommen entspannt meiner Arbeit nach zu gehen. Ich weiß, meiner Tochter geht es gut bei ihren drei Pädagoginnen. Und ich sage bewusst drei (!!) Pädagoginnen, auch wenn in ihrer Kindergrippe eigentlich nur zwei Pädagoginnen und eine Assistentin arbeiten, denn der Ausbildungsgrad macht für meine Tochter und mich menschlich überhaupt keinen Unterschied. Sie liebt die Assistentin, ebenso wie ihre beiden Kindergartenpädagoginnen.
Natürlich weiß ich nicht wirklich was hinter verschlossenen Türen vor sich geht, aber ich bin zuversichtlich und vertraue voll und ganz meinem Bauchgefühl. Ausserdem zeigt mir meine Kleine ganz deutlich wie sie dazu steht in den Kindergarten zu gehen, wenn sie freudestrahlend die Namen der Pädagoginnen und Kinder ihrer Gruppe aufzählt, ihren Kuschelbären schnappt um sich in der Früh Richtung Kindergarten aufzumachen. Ich weiß, nicht allen Kindern ergeht es anfangs so und vermutlich wird es auch bei uns immer wieder einmal schwere Tage geben. Es ist echt hart ein weinendes oder schreiendes Kind abzugeben. Doch, ich glaube, die meisten KindergärtnerInnen geben wirklich tagtäglich ihr Bestes. Was neben dem ganzen Papierkram, den sie heutzutage zu erledigen haben, gar nicht so einfach ist.

In letzter Zeit häufen sich besorgniserregende Vorfälle in Kinderbetreuungseinrichtungen. Was für die Medien ein gefundenes Fressen ist, wird für Eltern eine echte Belastung. Wem können wir eigentlich noch unsere Kinder anvertrauen? Woher wissen wir was da eigentlich in den Kindergärten vor sich geht? Wir wissen es einfach nicht. Es ist wirklich schrecklich was manche Kinder in so jungen Jahren schon erleben müssen. Ebenso furchtbar ist dies für ihre Eltern. Und trotzdem plädiere ich für mehr Zuversicht, Vertrauen und Verständnis gegenüber dem Betreuungspersonal. Ich wage mich damit vielleicht sehr weit aus dem Fenster, aber da ich nun beide Seiten kennen lernen durfte, kann ich mit Sicherheit sagen, mehr gegenseitiges Verständnis, wertschätzende Aufmerksamkeit und ein aufrichtiger Austausch miteinander, würde meiner Meinung nach schon sehr helfen.
In meiner Zeit als Pädagogin durfte ich ganz wunderbare Familien begleiten. Ich lernte unzählige Eltern kennen denen das Wohl ihrer Kinder das aller wichtigste im Leben ist. Ich lernte aber auch einzelne Familien kennen in denen viel verkehrt läuft. Auch und gerade Familien wie diese verdienten und bekamen unsere Aufmerksamkeit. Von uns PädagogInnen und AssistentInnen wurde verlangt das 5 jährige Kind, das regelmäßig eskaliert und droht uns mit dem Messer aufzuschlitzen zurechtzubiegen, das 3 jährige Kind, das uns ignoriert oder nach uns tritt wieder „normal“ zu machen und das 1 jährige Kind, das einfach nur nach Hause zu Mama und Papa wollte, 8 bis 10 Stunden am Tag (neben weiteren 20 bis 62 Kindern) zu betreuen, zu tragen und zu herzen. Um jedem Kind gleichermaßen gerecht werden zu können, gingen meine KollegInnen und ich nicht nur einmal über unsere eigenen Grenzen. Und wofür? Für eine abschätzige Bemerkung oder gar Misstrauen? Oder für ein viel zu geringes monatliches Gehalt?
Ein anerkennendes Wort, eine nette Geste oder ein freundliches Lächeln sind das Trinkgeld der PädagogInnen. Indem Eltern anerkennen was das Team des Kindergartens tagtäglich leistet, füllen sie zwar nicht deren Bankkonten, aber sie stärken anstelle zu schwächen, sie spenden Zuversicht anstelle vorwurfsvoll zu sein und sie schenken Aufmerksamkeit anstelle von Ignoranz.
Nicht das Verhalten der PädagogInnen und AssistentInnen ist ein Problem in unserer Gesellschaft, es ist das System das zu Überlastung, Herabwürdigung und Stress führt. Auch wir Eltern sind Teil dieses Systems.
Anstelle in Angst um das Wohl unserer Kinder zu leben, weil einzelne Vorfälle uns lehren, dass es Kindern in Kinderbetreuungseinrichtungen schlecht ergeht, lasst uns doch lieber auf unser Bauchgefühl hören, nachfragen wenn sich Sorgen und Unsicherheiten breit machen und wertschätzen was offensichtlich gut läuft.

Ich für meinen Teil bin überglücklich für unsere Tochter einen Ort gefunden zu haben an dem sie liebevolle Menschen mit den Worten „Wir haben schon auf dich gewartet“ begrüßen. Ein Ort an dem sie gekuschelt und ihre Tränen getrocknet werden, wenn sie mich vermisst. Ein Ort an dem sie erste Erfahrungen in Begleitung aufmerksamer und feinfühliger Menschen machen darf solange ich entspannt meinem Job nachgehen kann. Ein Ort an dem sie sichtlich gut aufgehoben ist. Ich sehe die tägliche Arbeit des Kindergartenteams keinesfalls als Selbstverständlichkeit an.

Danke, dass es euch gibt!