Warum wir Menschen ganz unterschiedlich auf Herausforderungen im Leben reagieren, hat vor allem mit unseren frühkindlichen, zwischenmenschlichen Erfahrungen zu tun. Die sichere Bindung bietet uns einen Anker wenn wir in Seenot geraten. Was das bedeutet? Wir verraten es euch gerne…

Das Leben ist ein ständiges Auf und Ab. Manche Hürden entpuppen sich im Nachhinein als Glücksfall, andere als echte Herausforderungen und wieder andere fühlen sich auch rückblickend wie ein fortwirkendes Problem an.

Eine gesunde Basis

Die Basis für eine ungehemmte und gesunde Entfaltung eigener Potentiale, wird in der frühen Kindheit gelegt. Um selbstbewusst, kreativ und achtsam durchs Leben zu gehen, braucht es nämlich vor allem eines, eine Bindungsperson die, bestenfalls von Geburt an, Nähe und Sicherheit gibt. Steht einem Kind zumindest eine Person zur Verfügung die einfühlsam, authentisch und liebevoll agiert, kann sich die sichere Bindung entwickeln. Diese frühe, erste, ganz besondere Beziehung kann einen kleinen Menschen ein Leben lang hindurch leiten.

Die erste große Liebe

Zumeist ist die erste Bindungsperson die eigene Mutter. Aber auch andere nahe Verwandte, Adoptiv- bzw. Pflegeeltern, sowie Freunde, können, durch ihre emotionale Verfügbarkeit, eine sichere Bindung zu einem Kind aufbauen. Alle Beziehungen die im Laufe eines Lebens folgen, sind durch die ersten wenigen Bindungserfahrungen eines Kindes geprägt. Demnach werden spätere Freundschaften und Liebesbeziehungen auch, anfangs noch unbewusst, im späteren Leben vielleicht sogar bewusst, mit den erlebten Bindungserfahrungen aus der Kindheit verglichen. Auch negative, frühkindliche Erfahrungen werden, wenn diese mit einer prägenden Bindungsperson in Verbindung stehen, oftmals positiv bewertet und wirken in spätere Beziehungen hinein.

Auf hoher See

Bindung ist nicht mit Beziehung gleichzusetzen. Vielmehr handelt es sich dabei um eine spezifische Form von Beziehung, die, wenn sie sich in eine positive Richtung entwickelt, als Hochsicherheitssystem wirkt. Eine Metapher verdeutlicht die Wirkungsweise der sicheren Bindung. Fährt ein Schifflein auf dem Meer und gerät in Seenot, sucht es nach einem sicheren Hafen um nicht Schiffbruch zu erleiden. Dabei ist das Schifflein das Kind, später auch der Jugendliche oder Erwachsene. Der sichere Hafen ist anfangs die erste Bindungsperson. Der Kreis von Bindungspersonen weitet sich im Laufe eines Lebens auf Familienmitglieder, Freunde und schließlich oftmals auch auf den eigenen Partner aus. Demnach können frühkindliche Erfahrungen, durch Reflexion und hinzukommende spätere Erfahrungen umgedeutet oder erweitert werden. Gerät ein Mensch in Seenot, sucht er umgehend den Kontakt zu vertrauten Menschen um sich wieder sicher und geborgen zu fühlen. Hat ein Mensch in der Kindheit die Erfahrung gemacht, dass niemand kommt wenn es in Not ist, wird er sich auch im Erwachsenenalter schwer tun, um Hilfe zu bitten, bzw angebotene Hilfe anzunehmen.

Bindung als Antwort für viele Fragen

Warum ärgert es dich so sehr, wenn dein Partner nach der Arbeit noch mit Kollegen etwas trinken geht? Woher kommt deine Wut im Bauch, wenn deine Mama dich anruft um zu fragen wie es dir geht? Und was löst es in dir aus, wenn dein Baby einfach nicht aufhört zu schreien? Viele unserer frühkindlichen Erfahrungen kommen im späteren Leben wieder zum Vorschein. Zumeist treten sie jedoch nicht in reiner, das heißt offensichtlicher, Form in Erscheinung. Nein, sie schleichen sich durch Gefühle und körperliche Empfindungen, teilweise vollkommen unbemerkt, in unseren Alltag. Spürst du immer wieder in denselben Situationen Emotionen hochkommen und weißt sie nicht einzuordnen, macht es durchaus Sinn sich diese genauer anzusehen.

Unser Erbe

Wünschst du dir, dass dein Kind selbstbewusst, kreativ und glücklich durchs Leben geht, kannst du nicht nur hoffen und beten, sondern tatsächlich so einiges beitragen. Wodurch? Zum einen indem du ihm dein offenes Ohr, deine starke Schulter und deine liebvolle Aufmerksamkeit schenkst. Zum anderen, indem du deine eigenen Emotionen reflektierst um deine individuellen, frühkindlichen Erfahrungen zu hinterfragen und gegebenenfalls aufzulösen. Viel zu oft geben wir unsere eigenen Überzeugungen, Moralvorstellungen und Glaubenssätze ungefiltert und unbewusst an unsere Kinder weiter. Ein Erbe, das manchmal schwer wiegt.
Stellen wir uns unseren Ängsten, Sorgen und Schattenseiten und gehen wir achtsam und liebevoll mit uns selbst um, sind wir unseren Kindern ein großes Vorbild. Reflektieren wir, darüber hinaus, unsere Vorstellung darüber wie es sich lohnt zu leben, tragen wir erheblich dazu bei wie frei unsere Kinder aufwachsen können.