Mein Baby ist schon lange kein Baby mehr. Mit ihren zweieinhalb Jahren stapft sie selbstbewusst und in letzter Zeit auch recht energisch durch die Welt. Sie möchte sich tätowieren und schminken wie ihre ältere Cousine, sie weiß genau wann sie lieber Papa und wann sie besser Mama um ein Fläschchen warme Milch bemüht und sie überlegt sich genau zu welcher Freundin sie ihr Lieblingsstofftier mitnimmt und bei wem sie es lieber beschützend zu Hause lässt.

Die Tage sind bunt, lang und eine echte Achterbahn der Gefühle.

Gestern meinte sie „Ich möchte nicht mit Helena und Lena Laufrad fahren, die stören mich immer“. Wenn sie sich konzentrieren will, möchte sie lieber alleine sein und auch sonst weiß sie ihre Stärken und Schwächen ziemlich gut einzuschätzen. Dieses kleine Wesen, das vor drei Jahren noch meine Gebärmutter belagert hat, hat bereits eine ganz genaue Vorstellung davon was ihr gut tut und was nicht. Sie ist feinfühlig, liebevoll und charakterstark. Ich bewundere das sehr. Ich bin überwältigt und stolz was sie tagtäglich von sich gibt, neu dazulernt und sich immer wieder mutig auf noch unbekanntes Terrain wagt. Und gleichzeitig geht mir alles sehr oft viel zu schnell.

Bis auf das Fläschchen warme  Milch, dass sie mehrmals täglich in Kuschelposition mit Mama oder Papa inhaliert, ist nicht viel von ihrem Babydasein geblieben. Seit Kurzem trägt sie Unterhose und fährt mit dem Laufrad zum Kindergarten. Beides hat sie einfach so von hier auf jetzt für sich entschieden.

Sie zieht sich selber aus und teilweise auch an. Sie plant ihren Tag ohne Rücksicht auf Verluste und bestreichelt mich mit den Worten „Alles gut“, wenn ich ihre Pläne dann doch durchkreuzen muss, weil ich erschöpft und müde mit Kopfweh auf der Coach liege.

Die Tage sind bunt, lang und eine echte Achterbahn der Gefühle. Die Nächte sind noch schlimmer…

Anfangs waren es Koliken die sie, vor allem nachts, plagten, dann kamen die Zähne, welche uns auch nicht gerade mehr sondern eher weniger Schlaf verschafften und nun scheint sie sich immer zwischen Mitternacht und 5.00 Uhr Früh mit spannenden Träumen und starken Wachstumsschmerzen herum zu schlagen. 
All die Artikel in denen geschrieben steht, wie wenig Schlaf Eltern in den ersten drei Lebensjahren abbekommen, wurden vermutlich für uns verfasst. Denn die Nächte in denen wir, in den letzen 30 Monaten seit wir ein Baby haben, tatsächlich durchgeschlafen haben, knacken vermutlich nicht einmal die 30er Grenze.

Die Tage sind bunt, lang und eine echte Achterbahn der Gefühle. Die Nächte sind noch schlimmer…oder schöner?

Und trotz brennender Augen, pochender Kopfschmerzen und dem Gefühl aus der Haut fahren zu wollen, es aber aus Mangel an Energie einfach nicht zu schaffen…in der Nacht ist unsere kleine Große dann doch noch unser Baby. Sie sucht nach meiner Hand, schläft beruhigt wieder ein, wenn sie sie gefunden hat und sagt, nach einer Nacht in der wir sechs Mal wach waren, „Ich habe so gut geschlafen, Mama“.

Die Nächte mit Baby.
Foto: Shutterstock / Antonio Guillem

Klar, ich könnte wirklich getrost auf die Augenringe und Migräneattacken nach einer durchwachten Nacht verzichten, aber an die Kuschelstunden und Liebesschwüre zwischen 0.00 und 5.00 werde ich mich wohl mein Leben lang erinnern…ja, mich vielleicht auch irgendwann zurück sehnen.

Die Tage mit Baby sind bunt, lang und eine echte Achterbahn der Gefühle. Die Nächte sind noch schlimmer…oder schöner? Naja, vielleicht irgendwann…

Unlängst als die kleine Madame wieder gekonnt versuchte die Schlafenszeit hinauszuzögern und immer wieder ihre Lippen schürzte um mir einen Gute-Nacht-Kuss entgegen zu flöten, schoss mir der Gedanke in den Kopf, wann sie mir wohl den allerletzten Gute-Nacht-Kuss geben würde.

Wir werden größer und selbstständiger und irgendwann verlassen wir das traute Nest unserer Eltern. Manchmal ist dieser Zeitpunkt schon gekommen bevor wir tatsächlich unsere eigene Wohnung beziehen. Schritt für Schritt entfernen wir uns von unseren Eltern, nabeln uns ab um Verantwortung für unser Leben zu übernehmen. 
Ich konnte die Enttäuschung meines Vaters, als ich eines Tages in meine erste, noch vollkommen leere, Wohnung zog um dort zum ersten Mal zu übernachten, nie so ganz nachvollziehen. 

Schön langsam wird mir klar, wie oft wir uns eigentlich tatsächlich von unseren Kindern verabschieden und, dass diese klitzekleinen Abschiede dazu beitragen, dass wir es eines Tages schaffen, sie ganz los zu lassen.