Oder: warum ich die Dreckwuzerln zwischen den Fingern meines Babys vermisse

Ach wie habe ich mich darauf gefreut, dass mein Baby älter und selbstständiger wird. Zuerst war da eine schmerzhafte, lange Geburt. Dann kamen stundenlanges Stillen und Nächte voller Geschrei dazu.
„Ach genieß den Zauber der ersten Wochen. Sie werden so schnell groß“ Wurde mir von all den Schulkindmüttern geraten. Genießen, dachte ich mir, wer bitte genießt es die brennenden Augen um 3.00 in der Früh vor lauter Müdigkeit nicht aufzubekommen, weil das Baby Hunger hat? Wer genießt es ungeschminkt, mit Ringen unter den Augen, wunden Brustwarzen und Rückenschmerzen durchs Leben zu stolpern?
Klar, sie sind schon entzückend wenn sie halb blind und relativ verwirrt mit ihren klitzekleinen Mündern in die Luft schnappen um irgendwo anzudocken und drauf los zu saugen. Aber sie sind doch auch so schrecklich hilflos kurz nachdem sie geschlüpft sind.
Ich hatte ganz einzigartige Glücksmomente mit meinem kleinen Frischling. Aber den Zauber der ersten Wochen konnte ich, neben all den Wäschebergen und Babyblähungen, nur ganz selten spüren.

Neun lange Monate kümmerte sich mein Körper wie selbstverständlich und meist nebenbei um die Bedürfnisse meines Kindes. Neun Monate und einen Tag später war plötzlich nichts mehr selbstverständlich und schon gar nicht nebenbei.
Weitere 9 Wochen später waren sie dann verschwunden…die kleinen Dreckwuzerln zwischen den Fingern und Zehen meines Babys. Mehrmals täglich habe ich sie liebevoll während dem Stillen heraus gepuhlt und mich gewundert wie ein so kleines Menschlein, einfach so indem es wo rumliegt, so viel Dreck produzieren kann. Und plötzlich waren sie verschwunden. Und ich vermisste sie…
Das war der Moment in dem mir klar wurde, dass sie zu Ende geht, die Säuglingszeit. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge saß ich da, während mich mein Mädal anstrahlte. Sie strahlte als würde sie mir sagen wollen „Hallo Mama, jetzt bin ich endlich da. Geboren bin ich schon lange, aber angekommen bin ich erst jetzt“.

Ab diesem Tag ging alles ganz schnell. Mein Baby fing an zu strampeln, greifen und lachte sehr viel. Die Nächte wurden entspannter, die Tage ereignisreicher und lustiger.

Gestern war es dann so weit. Pünktlich zum „4 Monatsjubiläum“ drehte sie sich zum ersten Mal vom Rücken auf den Bauch. Ich war sprachlos, entzückt und voller Wehmut. Wenn sie sich schon mit nur 4 Monaten zu drehen beginnt, wird sie sicherlich bald aufstehen und gehen…zur Tür hinaus…
Natürlich nicht! Aber für eine Mama fühlen sich Meilensteine wie diese manchmal so an.
Und da konnte ich ihn auf einmal spüren, den Zauber der ersten Wochen. Alles was bisher war, die Geburt, die Tage und Nächte danach…all das bepinselte ich mir im Nachhinein gedanklich mit Feenstaub. Diese Zeit war ein Überlebenskampf für unsere Paarbeziehung, ein Bootcamp für Mann, Hund und mich. Und ganz genau wie es all den Müttern vor mir erging, sehe ich nun das Besondere und Zauberhafte dieser ersten Zeit.

Ab und zu finde ich noch ein Dreckwuzerl, dass sich in einer kleinen Speckfalte meines Babys versteckt hat. Dann weiß ich, dass mich mein Baby doch noch ein wenig braucht…